Die Pressemeldung war einst DIE Möglichkeit, die da draußen – womöglich ad hoc – von Neuigkeiten wissen zu lassen. Viele andere News-Vehikel sind inzwischen an ihrer Seite aufgefahren. Kein Grund, die Meldung zu vernachlässigen! – Eine Stichprobe.
Ich darf zitieren: „Pressemitteilungen sind in erster Linie Informationsangebote für Journalisten. Sie sollen aktuell, sachlich und verständlich, überprüfbar und kompakt sein.“ Und: „Das alles nicht, um den Vorstand zu bauchpinseln, sondern damit die Redakteure anbeißen. Der PM-Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“ – Man riecht förmlich den gestärkten, grauen Arbeitskittel des handwerklich versierten Meldungsschreibers, der sich ans Werk macht, für die unabhängigen Profi-Schreiber den offiziellen Informationstext aus dem Ausgangsmaterial des geplegten Flur-Schnacks heraus zu ziselieren, um damit meinungsneutral das solide Fundament der Zeitungsnachricht zu gießen; ganz unabhängig von Firmen-, Behörden- oder Vereins-internen Ränken und Intrigen.
Im Malwerk der Interessen
Neben Vorstandspräsentationen und den lesbaren Teilen von Jahresberichten gehören Pressemeldungen zu den Texten, die es in der Freigabeschleife auf die allermeisten Umläufe bringen. Jeder will mit-geändert haben. Und hat einer nicht, ist der Eklat nach Veröffentlichung programmiert. Insofern sind die Eigenschaften, die bei denjenigen, die für das bloße Schreiben verantwortlich sind, für eine solide textliche Aufbereitung sorgen sollen, weniger Tipp-Handwerk und sprachliches Feingefühl, als Langmut und Hartleibigkeit.
Die Gemengelage der Verantwortlichkeiten dafür, dass die ein oder andere Meldung die oben zitierten Kriterien nicht erfüllt, ist also äußerst unklar. Viele Köche machen aus dem geplanten Brei ruckzuck die Brennsuppn, auf der dann wieder keiner dahergeschwommen sein will. Es sind eben viele Interessen, denen sie sich beugen soll, die Meldung und sie gleicht damit eher einer Übung in Sachen sozialer Konsensfindung als einem journalistischen Elaborat.
Funktionsumfang einer Pressemeldung
Neuer Vorstand, Quartalsergebnis, Gewinnwarnung, Kauf eines Unternehmens, Ausgliederung eines Firmenteils – alles gute Gründe, eine Pressemeldung zu lancieren. Bei der Frage, was überhaupt eine richtige Produktneuheit und vor allem wann sie zu kommunizieren ist, scheiden sich dagegen die Geister. Eine Firma auf einer großen Messe ohne Pressemeldung? Geht nicht, was wäre das für ein Signal an den Markt? Die Meldung als Testballon für ein Produkt, das vielleicht niemals kommt, eine Meldung, weil der Wettbewerber gerade zum selben Thema eine Meldung veröffentlicht hat, eine Meldung als Möglichkeit, intern alle Fachleute an einen Tisch zu holen, um sich mit der Freigabe des Textes auf ein einheitliches Firmensprech zu verpflichten, eine Meldung, weil der Chef gern einige Sätze öffentlich machen würde, eine Meldung, weil sich der Chef der einen Division vor dem der anderen im Rennen um den nächsten Posten profilieren will … alles keine guten, aber dennoch sehr reale Gründe für eine Pressemeldung. Mein Appell: Lasst es den Rest der Welt wenigstens nicht merken!
Neu, klar, einfach …
Etwas Neues sollte der Text klar beschreiben. Er sollte den Leser in die Lage versetzen, die Art der Veränderung, die beschrieben ist, zu verstehen; im besten Fall, welche Vorteile das mit sich bringt. Von welchen Voraussetzungen man dabei auf Leserseite ausgehen kann, ist unklar. Aber die Chance, verstanden zu werden, steigt, wenn als Zielgruppe nicht der Ingenieur unterstellt wird, sondern der adoleszente Mitjugendliche, der sich auch einmal von anderen Themen beeindrucken lassen will. Abkürzungen und Fachjargon müssen erklärt werden.
… und das kommt dabei raus
Wie also bespielen Kollegen dieses Anforderungstableau? Hier drei zufällig gewählte Beispiele die im Pressebox-Filter schlicht untereinanderstanden:
„Meusburger“, „Blechexpo“ und „Stanzbiegegestelle“ ist jetzt nicht unbedingt ein Dreiklang wie „Coca Cola“, „Fun“ und „Ohne Zucker“. Trotzdem steht er in der Meldung ganz vorn und verdrängt alles Erklärende nach unten. Das in die Überschrift hineingeschobene „brandneu“ hilft dem Stanzbiegegestell wenig, auf die Beine zu kommen. Ein Halbsatz, der die Funktion des Produkts eingeordnet hätte, kommt gar nicht. Und dass es jetzt kostengünstiger und schneller zu liefern ist, erfährt der gutmütige Leser erst in Absatz vier.
Kundenorientierte Lösungen für den smarten Maschinenbau stehen im Mittelpunkt … sagt Wittensen im Teaser seiner Meldung – und es wäre schlimm, wenn es anders wäre. Nur, muss man das noch sagen? Dabei offenbart der zweite längliche Absatz schwerfällig eine echte Neuigkeit: Eine Website, die für jedes Produkt die wesentlichen Informationen anbietet; mutlimedial und für jederman abrufbar. Warum nicht das nach vorn?
Überschriften, die an Trockenheit kaum zu überbieten sind, gibt es zuhauf. Wer aber weder in Überschrift, noch Vorspann, noch im ersten Absatz Ross und Reiter nennt, will sich womöglich mit großen Namen schmücken, droht aber dahinter sang und klanglos unterzugehen. Dass die Daimler AG zu den traditionsreichen Anbietern im Fahrzeugbau zählt, hat man selbst weit abseits deutscher Autobahnen schon gehört. Aber dass es eigentlich in dieser Meldung um die IT-technische Aufrüstung der AMG Motoren-Manufaktur durch Fichtner IT Consulting geht, erfährt der Leser Dank Kauderwelsch wahrscheinlich nie.
Und die Großen?
Siemens bietet leserfreundlich als Vorspann drei Aufzählungspunkte an. Wenn die allerdings vor allem mit unverfänglichen Phrasen befüllt werden, nützen sie wenig, um Klarheit in die Sache zu bringen. Übung: einfach mal die Wörter „digital“, „intelligent“, „globale Herausforderung“, „Energieeffizienz steigern“, beim Stichwort Partnerschaft „strategisch“ und „komplementäre Portfolios und Kompetenzen“ weglassen und einfach erzählen, was zum Beispiel diese Partnerschaft bringen soll. Denn „mit dem Ziel, weltweit nachhaltige Veränderungen bei digitalen Lösungen zu bewirken“ wird man die in der Überschrift angesprochenen „globalen Herausforderungen beim Wasser- und Energieverbrauch“ wohl kaum lösen.
Schlicht, einleuchtend und doch auf dem Rückzug
Dabei geht es so schlicht und einleuchtend wie bei FlexQube. Man muss dieses fahrerlose Transportsystem nicht interessant finden, aber verstehen, worum es geht, lässt sich hier in wenigen Sekunden. Schneller kommt die Info kaum an Mann oder Frau.
Unternehmen wie Estee Lauder haben ihr Aufkommen an Pressemeldungen allerdings inzwischen auf ein absolutes Minimum reduziert. Quartalsergebnisse oder die Ernennung einer Executive Vice Presidentin, ansonsten mal eine versprengte Meldung zu den verschärften Nachhaltigkeitszielen. Inhaltlich über Produktion oder Produkt: nix. EL verschickt inzwischen lieber eine kleine Auswahl an neuem Produkt an Youtuber, die das eifrig ausprobieren und mit ihren Followern teilen. Aber zu den oben angesprochenen alternativen Info-Vehikeln ein andermal. Hier nur noch so viel: Wer bei der Akademie der bayerischen Presse nach Kursen zum Thema Schreiben von Pressemeldungen sucht, bekommt ganze zwei Treffer für jetzt bis Ende 2020; wer nach SEO sucht bekommt 13.